27.02.2017 Pflegeimmobilien: Investitionsbedarf von 55 Mrd. Euro bis 2030

Die Bedeutung von Pflegeimmobilien in Deutschland hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. In den alternden Industriestaaten Europas und insbesondere in Deutschland ist der Markt für Pflegeleistungen aufgrund der demografischen Entwicklung ein Wachstumsmarkt. Dieser Trend wird durch das Investmenttransaktionsvolumen in Pflegeimmobilien bestätigt, das im vergangenen Jahr mit rund drei Milliarden Euro ein neues Rekordniveau erreicht hat und unterstreicht, dass Pflegeimmobilien sich längst als attraktive Investmentnische etabliert haben. Auch die aktuelle „Pflegestatistik 2015“ des Statistischen Bundesamtes sowie die hohe Anzahl von Unternehmensübernahmen einiger Pflegeheimbetreiber verdeutlichen diesen Trend.

Der Pflegeimmobilienmarkt ist von besonderen Marktgegebenheiten geprägt, da hier eine hohe Regulierungsdichte herrscht und politisch motivierte Eingriffe in das System erfolgen. Daher erfordern Investitionen in Pflegeheime und Betreiberunternehmen wie auch die Bewertung von Pflegeheimen eine detaillierte Analyse mithilfe von Expertenwissen. In Zusammenarbeit mit immoTISS Care hat das Immobilienberatungsunternehmen CBRE einen aktuellen Pflegeimmobilienreport veröffentlicht. Die nun zweite Auflage des 2012 erstmalig erschienenen Reports liefert Marktakteuren eine auf Transparenz basierende Entscheidungsgrundlage für potenzielle Investments in die wachsende Assetklasse Pflegeimmobilien.

Neben ausführlichen Analysen der Pflegemarktdaten für die einzelnen Bundesländer enthält der Report vier Experteninterviews, die den Pflegeimmobilienmarkt beleuchten. Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, sieht für die Zukunft ein Ende der strikten Trennung von ambulanter und stationärer Pflege. Stefaan Gielens, CEO von Aedifica, berichtet von einem attraktiven Markt, der jedoch Expertenwissens bedarf. Alfred Zinke, Abteilungsleiter Kundenbetreuung Kirchliche Einrichtungen, Bank im Bistum Essen eG, beschreibt die Besonderheiten der Finanzierung von Pflegeheimen. Bernd Rothe, Geschäftsführer der cosiq GmbH, fordert flexiblere gesetzliche Rahmenbedingungen, die es Betreibern ermöglichen, der vielseitigen Nachfrage zu begegnen insbesondere innerhalb neuer Wohn- und Versorgungsformen.

Demografische Entwicklung Deutschlands

Laut der aktuellen Pflegestatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder hat die Anzahl Pflegebedürftiger in Deutschland im Dezember 2015 im Vergleich zu Dezember 2013 um 8,9 Prozent (234.000 Menschen) zugenommen und belief sich auf etwa 2,86 Millionen (rund 3,5 Prozent der Bevölkerung). Mit 27 Prozent (783.000 Pflegebedürftige) wurde gut ein Viertel vollstationär in Pflegeheimen betreut. War die Auslastung der Pflegeheime zwischen 2003 und 2009 noch rückläufig, ist sie seit 2011 wieder steigend und beläuft sich nun auf deutlich über 90 Prozent. Die Anzahl der Pflegeheime mit vollstationärer Dauerpflege summierte sich Mitte 2016 auf rund 11.300 mit insgesamt 889.000 verfügbaren vollstationären Dauerpflegeplätzen. Das Gros der Plätze entfiel dabei mit etwa 53 Prozent auf freigemeinnützige Träger, während private Träger einen Anteil von 42 Prozent und öffentliche Träger hingegen lediglich fünf Prozent zur Verfügung stellten. „Für private Träger gewinnt der Pflegeimmobilienmarkt zunehmend an Bedeutung, sodass sie den zweitgrößten Anteil an Pflegeplätzen bereitstellen. Gleichzeitig sorgen gesetzliche Neuregelungen, etwa in Form von nachträglichen Auflagen, für große Verunsicherung auf Investorenseite“, kommentiert Andreas Polter, Team Leader Valuation Advisory Services bei CBRE.

Umfangreiche Investitionen sind notwendig

Bis 2030 werden etwa eine Million weitere Personen pflegebedürftig sein. „Daraus ergibt sich, dass bis 2030 Neubau- und Ersatzinvestitionen von gut 55 Milliarden Euro für zukunftsfähige, marktkonforme Pflegeeinrichtungen notwendig sind“, sagt Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland. „Die öffentliche Hand investiert jedoch zunehmend geringere Summen in den Erhalt und den Neubau von Pflegeeinrichtungen und ist nicht in der Lage, die notwendigen Investitionen zu stemmen. Deshalb rücken private Investoren zunehmend stärker in den Fokus“, sagt Jochen Zeeh, Geschäftsführer der immoTISS Care GmbH.

Pflegeimmobilien haben sich als Assetklasse etabliert

Der Anteil der Assetklasse Pflegeimmobilien am gesamten Transaktionsvolumen des Gewerbeimmobilienmarktes lag im Rekordjahr 2016 bei über sechs Prozent, während dieser in den Jahren zuvor nur ein bis zwei Prozent betrug. In erster Linie investieren institutionelle, langfristig ausgerichtete Anleger wie Versicherungen und Pensionskassen aus dem In- und Ausland in die Assetklasse Pflegeimmobilien. „Sie haben das Wachstumspotenzial der Investmentnische erkannt und die Assetklasse für sich entdeckt. Hier sind im Vergleich zu klassischen Core-Gewerbeimmobilien wie Büros oder Geschäftshäuser höhere risikoadjustierte Renditen erzielbar. Aktuell lassen sich Spitzenrenditen von rund 5,5 Prozent erzielen“, sagt Linsin. Nach dem, von sehr großen Portfoliotransaktionen geprägten, Pflegeimmobilientransaktionsmarkt 2016 wird sich das Transaktionsvolumen in den kommenden Jahren bei rund einer Milliarde Euro pro Jahr einpendeln. Die ungebrochen hohe Nachfrage aus dem In- und Ausland nach Pflegeimmobilien wird nur durch einen Angebotsmangel an Objekten gebremst, weswegen ein weiterer Renditerückgang zu erwarten ist. Das zunehmende Interesse an Pflegeimmobilien als Assetklasse treibt die Professionalisierung des Marktes voran. „Der Pflegeheimmarkt ist, bedingt durch Intransparenz und unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen, noch immer sehr fragmentiert. Erste Konsolidierungstendenzen zeichnen sich jedoch ab, wodurch sich professionellen Betreibergesellschaften vermehrt attraktive Möglichkeiten bieten“, sagt Jochen Schellenberg, Geschäftsführer der KATHARINENHOF Seniorenwohn- und Pflegeanlage Betriebs-GmbH.