Reiter will den Mietspiegel neu berechnen
- Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter fordert in einem Brief an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ein neues Berechnungssystem für den Mietspiegel.
- Der Mietspiegel einer Stadt bildet nicht die tatsächliche Durchschnittsmiete ab: Laut Gesetz werden nur Neuvermietungen oder Änderungen in bestehenden Verträgen, also meist Mieterhöhungen, herangezogen.
- Reiter fordert, dass künftig auch die Bestandsmieten, die meist deutlich niedriger sind, in die Berechnung einfließen.
Ideal, so frotzelt Beatrix Zurek, wäre folgendes Szenario: Wenn es in München Hausbesitzer gäbe, die Mini-Mieten verlangen und diese dann Jahr um Jahr um nur einen Cent erhöhen. Denn dann würde dieser Betrag wenigstens in die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete einfließen und deren Anstieg ein wenig bremsen. Bleibt die Miete dagegen jahrelang gleich, darf sie in der Statistik nicht berücksichtigt werden. Wenn in München jemand eine teure Neubauwohnung bezieht, fließt diese Miete jedoch komplett in die Berechnung ein und treibt den Durchschnittswert in schwindelerregende Höhen.
So ist das mit dem Mietspiegel, auch wenn es paradox klingt: Um den örtlichen Durchschnitt zu berechnen, werden laut Gesetz nur Neuvermietungen oder aber Änderungen in bestehenden Verträgen – faktisch sind das Mieterhöhungen – herangezogen. Und auch nur die aus den vergangenen vier Jahren. Alle anderen Mieten fallen unter den Tisch. „Ärgerlich“ sei das und eine Verzerrung, findet die SPD-Stadträtin Zurek, die auch dem Münchner Mieterverein vorsitzt. Der Mietspiegel ist wichtig, weil er quasi eine Obergrenze für alle Mieten festschreibt.
Bestandsmieten sollen mit in die Berechnung fließen
Oberbürgermeister Dieter Reiter fordert nun in einem Brief an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ein neues Berechnungssystem. Künftig müssten auch die Bestandsmieten, die meist deutlich niedriger sind, in die Berechnung einfließen. Sonst werde das Leben in der Stadt für einen Großteil der Bevölkerung unbezahlbar, fürchtet Reiter. Nur durch die Einführung einer Durchschnittsmiete, die diesen Namen auch verdiene, „kann sichergestellt werden, dass das soziale Gefüge in einer Stadt wie München nicht aufgrund völlig überteuerter Lebenshaltungskosten aus dem Gleichgewicht gerät“. Der Anstieg der Mieten habe sich längst von dem der Löhne abgekoppelt.
Ein neues Berechnungssystem für die Zahlen, die sich später im Mietspiegel wiederfinden, fordern Mieterschützer seit Jahren schon. Zuständig ist der Bund. Zurek rechnet vor: Würden auch Altverträge berücksichtigt, würde dies nicht nur den Anstieg der Vergleichsmiete stoppen, sondern könnte diese sogar senken – erstmals seit vielen Jahren. Zwar dürfte deshalb niemand einfach seine Miete kürzen. Die nächsten Erhöhungen aber, davon ist Zurek überzeugt, fielen deutlich moderater aus. Oder blieben vielleicht sogar ganz aus. Allein die 65 000 städtischen Wohnungen, in denen oft nur sechs Euro je Quadratmeter gezahlt werde, hätten plötzlich eine dämpfende Wirkung auf die Statistik.
Reiters Forderung war lange Usus
Der Mietspiegel, in dem die ortsübliche Vergleichsmiete detailliert nach Wohnlage und Ausstattung aufgeführt ist, legt die Obergrenze fest. Da der Münchner Mietspiegel vom Stadtrat für verbindlich erklärt wurde, müssen Hausbesitzer bei jeder Mieterhöhung nachweisen, dass sie das Limit nicht überschreiten. Bei Neuvermietungen darf die Miete derzeit noch 20 Prozent über dem Durchschnitt liegen – diesen Wert will die Bundesregierung erklärtermaßen auf zehn Prozent absenken. Eine zusätzliche Bremse ist bereits in Kraft: Das Plus darf 15 Prozent innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten.
Was Reiter nun fordert, war nach Auskunft Zureks bis 1983 Usus. Dann aber habe die FDP in der Bonner Koalition zunächst einen Drei-Jahres-Zeitraum durchgedrückt, der dann später auf vier Jahre verlängert wurde. Seitdem haben die Vergleichsmieten kräftig zugelegt. Allein zwischen 2003 und 2013 stieg der Quadratmeterpreis in München von 8,42 auf 10,13 Euro an – ein Wert, der nach Einschätzung Zureks beim diesjährigen Mietspiegel erneut übertroffen wird. Ermittelt wird das Mietniveau durch die repräsentative Befragung von 3000 Haushalten.