Der Lebensmitteleinzelhandel ist für Onlinehändler eine harte Nuss. Das gilt auch für die Handelsplattform Alibaba. Die Chinesen nähern sich dem Thema deshalb ähnlich wie Amazon mit Lebensmittelgeschäften. Ein Hauptaugenmerk von Alibaba liegt auf dem Aufbau eines weltumspannenden bargeldlosen Bezahlsystems namens Ali Pay.
Der chinesische Onlinehändler Alibaba hat im vergangenen Jahr einen Laden für frische Lebensmittel eröffnet. Inzwischen gibt es schon 20 solcher Läden. „Es wird noch mehr Stores geben. Wir wollen damit etwas über das Kundenverhalten lernen“, sagte Sébastien Badault, Managing Director von Alibaba Frankreich, gestern bei der Eröffnungsveranstaltung der Einzelhandelsimmobilienmesse Mapic. In Cannes treffen sich zwei Tage lang über 8.000 Vertreter aus Immobilienbranche, Einzelhandel und Gastronomie.
Die Entscheidung von Alibaba, mit dem Verkauf von frischen Lebensmitteln in Geschäften zu beginnen, weist in eine ähnliche Richtung wie der Kauf der Supermarktkette Whole Foods durch Amazon in diesem Jahr. Um im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) Fuß zu fassen, scheinen die beiden Onlinemarktplätze einstweilen an stationären Läden nicht vorbeizukommen. Auch Amazon hat erklärt, es wolle mit den Whole-Food-Märkten „lernen“.
Dass E-Commerce und stationärer Einzelhandel zusammenwachsen, zeigt auch der Modehandel. Unlängst hat Alibaba in Shanghai eine Modenschau veranstaltet, die im Fernsehen und im Internet übertragen wurde und 100 Mio. Kunden erreichte. Anschließend wurde die Kleidung – außer über das Internet – landesweit in 60 temporären Läden verkauft. In den Pop-up-Stores gab es keine Umkleidekabinen, sondern magische Spiegel (magic mirrors), in denen sich die Kunden in verschiedenen Outfits betrachten konnten.
Chinesischer Onlinemarkt größer als USA und England zusammen
Badault führte den Zuhörern die schiere Größe des chinesischen E-Commerce vor Augen. „Obwohl nur 50% der Chinesen online sind, werden jährlich 750 Mrd. USD umgesetzt. Damit ist der Markt größer als die beiden nächstgrößten USA und Großbritannien zusammen.“ 82% des Einzelhandelsumsatzes würden in China aber nach wie vor stationär erzielt. Alibaba sei umsatzmäßig im vergangenen Jahr um 32% gewachsen, 2017 werde es ein Plus von 40% geben.
„Der fortschrittlichste Kunde lebt in China“
Um den chinesischen Touristen überall auf dem Globus bargeldloses Einkaufen zu ermöglichen, arbeite Alibaba daran, das mobile Bezahlsystem Ali Pay weltweit zu etablieren. „Ali Pay hat ein enormes Potenzial, den chinesischen Touristen zu dienen“, sagte Badault. Gerade habe man in Indien ein Bezahlsystem mit 200 Mio. Kunden gekauft. Das Fehlen eines „flüssigen“ Bezahlsystems ist in den Augen von Badault, der zuvor für Google und Amazon arbeitete, für den Einzelhandel der westlichen Welt das „größte Hindernis“. Er sagte das offenbar mit Blick auf die Bargeldfixierung vieler Europäer und Amerikaner. „Der fortschrittlichste Kunde lebt in China“, erklärte der Franzose. Europa sei für Alibaba weniger wegen der dort lebenden potenziellen Kunden interessant, sondern wegen seiner „Marken“. Diese wolle man über Alibaba in China verkaufen. „Europa ist für uns im Moment vor allem B2B-Geschäft.“