FLYING J UND TRUCKCITY
Gleich zwei Unternehmen planen in Europa ein Netz riesiger Autohöfe mit Rundumservice für Lkw-Fahrer. Beide legen dabei den Schwerpunkt zunächst auf Deutschland: Knapp 30 bis zu 18 ha große Fernfahrer-Dörfer sollen in den nächsten fünf Jahren hierzulande entstehen. Von derzeitigen Anlagen sollen sie sich dabei nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch ihr Servicekonzept unterscheiden.
An Deutschlands Autobahnen wird es nachts eng. An Raststätten und Autohöfen gibt es 40.000 Lkw-Stellplätze, weitere 20.000 wären nötig, schätzt Karl-Heinz Schneider, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Autohöfe (Veda). Nicht nur wegen der fehlenden Parkplätze und einer erwarteten Steigerung der Lkw-Transporte um 60% bis 80%, sondern vor allem wegen mangelhaftem Service sieht der US-Mineralölkonzern Flying J einen „riesigen“ Bedarf nach seinen Mega Travel Plazas im amerikanischen Stil. „Die Trucker wurden bisher stiefmütterlich behandelt“, sagt Markus Auer, verantwortlich für die Deutschlandaktivitäten von Flying J.
Flying-J-Prototyp in Evendorf
Kein Wunder also, das Flying J den Prototypen für ein geplantes europäisches Autohofnetz in Deutschland bauen will. Insgesamt sollen hierzulande in den nächsten drei bis fünf Jahren 15 Autohöfe in einer Größenordnung zwischen je 12 und 18 ha entstehen. Zum Vergleich: Die Durchschnittsgröße eines deutschen Autohofs beträgt derzeit laut Veda rund 2,5 ha, einige wenige Betriebe erreichen 5 bis 6 ha. Der Konzern mit Sitz in der knapp 80.000 Einwohner zählenden Stadt Ogden im Mormonenstaat Utah betreibt in den USA und Kanada 258 Mega Travel Plazas. Er zählt zu den 20 größten Privatunternehmen der USA und macht nach eigenen Angaben mit 32.000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 16,2 Mrd. USD.
Als Richtwert sind an jedem Standort – bei einer Investitionssumme von 12 Mio. bis 16 Mio. Euro – je zwölf Lkw-Tankspuren und Pkw-Tanksäulen sowie rund 300 Lkw- und 140 Pkw-Stellplätze vorgesehen. Vertrieben werden soll Benzin der eigenen Marke. Daneben plant Flying J zahlreiche Dienstleistungsangebote: Badezimmer, Waschsalon, Lkw-Waschstraße, Spielhalle, Sportbar, Hotel, Supermarkt und mehr. Auf dem Parkplatz soll es einen unter anderem mit einem Käfig geschützten Sicherheitsbereich für wertvolle Transporte geben. Spezielles Merkmal soll aber der herausragende Service werden, „wie es ihn in dieser Form in Europa noch nicht gibt“, sagt Auer, hält sich aber zu Details bedeckt.
Den ersten Autohof will der Konzern an der A 7 Abfahrt Evendorf südlich von Hamburg auf einer Fläche von 12,8 ha errichten, sobald die Baugenehmigung erteilt ist. In Planung sind weitere fünf Objekte im Norden der Bundesrepublik sowie zwei in Polen. Zu den genauen Standorten hüllt sich Auer noch in Schweigen. Bekannt ist lediglich ein weiteres Projekt auf einem 13 ha großen Gelände in Oberwittbach, westlich von Würzburg. Das Vorhaben verzögert sich aber wegen Problemen mit der Anbindung an die A 3.
TruckCity plant 50 Lkw-Dörfer
Ebenfalls ein europaweites Autohofnetz mit einem Schwerpunkt in Deutschland aufbauen will TruckCity, wenn auch die einzelnen Standorte mit 6 bis 8 ha deutlich kleiner ausfallen. Zusammen mit Joint-Venture-Partner TNC Property Projects sollen europaweit 50 TruckCitys entstehen, davon innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre zwölf bis 14 in Deutschland. Die geplante Investitionssumme pro Objekt beträgt 12 Mio. bis 14 Mio. Euro. Auch die Niederländer setzen auf eine umfangreiche Dienstleistungspalette mit Angeboten wie Badezimmern, Fitness- und Entspannungsbereichen, Reparaturservice oder Hotel. Verkauft werden sollen drei Benzinmarken: von einer europäischen und einer nationalen Kette sowie einer freien Tankstelle. Mindestens 52 Lkw-Stellplätze soll es pro Anlage geben.
Den wichtigsten Unterschied zu herkömmlichen Rastanlagen sieht Geschäftsführer Arnold Doornekamp im Sicherheitskonzept. Jährlich würden in Europa bei Transporten Waren im Wert von 8 Mrd. Euro gestohlen, rund zwei Drittel davon während der Ruhepausen. „Durch einen rund um die Uhr bewachten Parkplatz kann der Fahrer seine Pause beruhigt antreten“, erklärt er. Als weiteren Vorteil böten sich große Autohöfe mit Entspannungs- und Übernachtungsmöglichkeiten als Wechselpunkte für Fuhrunternehmen an. Während ein Fahrer auf dem Gelände seine gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause ableistet, könne ein ausgeruhter Kollege den Laster übernehmen und direkt weiterfahren.
Die erste „Fernfahrerstadt“ soll in Emmen im Nordosten der Niederlande entstehen. Als weitere Standorte stehen Rotterdam und Slubice in West-Polen fest. In Deutschland werde noch in diesem Jahr mit dem Bau von einem, vielleicht zwei TruckCitys begonnen, so Doornekamp. Den geplanten Standort will er zwar noch nicht verraten, aber noch im Sommer soll Baubeginn sein, so dass der erste Autohof spätestens Mitte 2009 eröffnen kann.
Dass sowohl Flying J als auch TruckCity bezüglich konkreter Standortplanungen sehr zurückhaltend sind, hat seinen Grund in regelmäßig auftretenden Protesten von sich rasch bildenden Bürgerinitiativen – ein Problem, mit dem sich nicht nur die Mega-Projekte herumschlagen müssen. Auch der vom Bund geplante Ausbau der Stellplätze an Autobahnraststätten stoße immer wieder auf Ablehnung, beklagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Achim Großmann (SPD), vor kurzem im Bundestag. Mit einem in den USA erfolgreichen Sicherheitskonzept gegen Drogen, Prostitution und Kriminalität wolle man Bedenken zerstreuen, sagt Flying-J-Manager Auer. Offenbar bisher mit wenig Erfolg, wie die sehr aktiven Bürgerinitiativen gegen die Standorte in Evendorf und Oberwittstadt zeigen.
Kritik vom Autohof-Verband
Schwierigkeiten bei der Standortsuche ergeben sich auch noch aus einer anderen Richtung. So kritisiert Auer, dass der Bund keine Flächen an Flying J verkaufen will – aus Verbundenheit mit dem früheren Staatsunternehmen Tank & Rast, wie er mutmaßt. Denn heftige Widerstände kommen auch von der mittelständischen Konkurrenz. Veda-Chef Schneider warnt vor einem massiven Verdrängungswettbewerb, bei dem nicht nur bestehende mittelständische Betriebe auf der Strecke bleiben würden, sondern auch die neuen Autohofketten nicht auf ihre Rechnung kämen. Denn es fehlten zwar Parkplätze in Deutschland, „das Netz an Versorgungseinrichtungen ist aber mehr als ausreichend“, sagt er und verweist auf zahlreiche Insolvenzen.
Ein Lkw-Stellplatz koste etwa 25.000 Euro, die erwirtschaftet werden müssten, betont Schneider. Wenn aber Flying J seinen Informationen zufolge dazu mit jährlich 50 Mio. Litern Kraftstoffabsatz pro Autohof plane, entspreche das den Werten von fünf derzeitigen Betrieben und sei unrealistisch. Vor allem, da durch Ökosteuer und Mehrwertsteuererhöhung die Umsätze im Tankstellengeschäft seit 1999 um 40% bis 50% zurückgegangen seien und da moderne Lkw mit einer Tankfüllung durch ganz Europa fahren und ihren Kraftstoff in den billigsten Ländern tanken könnten. Auch Zusatzangebote seien von deutschen Betrieben zur Genüge getestet worden, das meiste funktioniere aber mehr schlecht als recht, „weil die Fernfahrer entweder keine Zeit oder kein Geld dafür haben“, erklärt Schneider. Flying J komme nach Deutschland, ohne den hiesigen Markt zu kennen. „Wenn das Geschäft wirklich so gut wäre, bin ich überzeugt, dass die Shells und BPs Autohöfe bauen würden und auch Tank & Rast mehr machen würde.“
„Wir werden in insgesamt 25 EU-Ländern vertreten sein und dabei in Osteuropa sicherlich einen höheren Dieselabsatz haben“, verweist Arnold darauf, dass Flying J in europäischen Dimensionen denke. Das eigentliche Problem in Deutschland sei die Vernachlässigung der Verbraucherbedürfnisse. „Tank & Rast hatte 25 Jahre Zeit, die Trucker besser zu behandeln.“ (pm)