Sogar am Görlitzer Park steigen die Mieten

Es sieht so aus, als würde nun auch in Berlin der Immobilienboom abebben. Viele Haushalte können keine höheren Mieten mehr zahlen. Trotzdem stiegen die Mieten stärker als in anderen deutschen Städten.

Im vergangenen Jahr war Berlin erneut ein Magnet für neue Einwohner und für Investoren. Das treibt die Preise für Miet- und Eigentumswohnungen weiter an. Und da Berlin im nationalen und internationalen Vergleich trotzdem noch relativ günstig ist, dürfte dieser Trend vorläufig zwar auch noch anhalten. Doch inzwischen sind auch erste Tendenzen erkennbar, die von einem Ende des Booms zeugen.

Wie aus dem aktuellen Wohnmarktreport des Kreditinstituts Berlin Hyp und der Immobilienanalysten von CBRE hervorgeht, stiegen die Mieten im vergangenen Jahr um durchschnittlich 6,6 Prozent und damit stärker als in München, Hamburg oder Köln, wo die Preise insgesamt bereits ein hohes Niveau erreicht haben.

Nach wie vor wohnt es sich in der Hauptstadt mit einer durchschnittlichen Angebotsmiete von 8,55 Euro pro Quadratmeter und Monat relativ günstig. Einwohner in Frankfurt am Main müssen bei aktuellen Angeboten mit durchschnittlich zwölf Euro rechnen, Münchner sogar mit 14,17 Euro.

Allerdings reicht auch die Kaufkraft in Berlin nicht an die der anderen Metropolen heran. In einigen Bezirken ist das Ende der Fahnenstange deshalb schon erreicht. „Hier scheint die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager an ihre Grenzen zu stoßen“, sagt Henrik Baumunk, Geschäftsführer von CBRE.

Investoren müssen genauer hinsehen

In besonders teuren Lagen der Stadtteile Mitte, Charlottenburg, Wilmersdorf, Schöneberg, Kreuzberg und Prenzlauer Berg seien die Preise kaum noch gestiegen, in manchen Straßenzügen, beispielsweise am auch bei Touristen beliebten Hackeschen Markt, sogar erstmals gesunken.

Was für Mieter eine gute Nachricht ist, sollte Investoren insofern eine Warnung sein. Bei einer Kaufentscheidung komme es „mehr denn je auf Lage und Ausstattung einer Wohnung an“, sagt Gero Bergmann, Vorstandschef der Berlin Hyp.


Einkommen gehen für Miete drauf

Diese „normalen“ Wohnungen wurden damit fast exakt um den Faktor teurer, um den auch die Kaufkraft ihrer Bewohner anstieg – nämlich um 3,5 Prozent. Es gibt mehr reguläre Jobs und höhere Gehälter in Berlin. Da die Wohnkosten aber nur einen Teil der Kaufkraft ausmachen, bleibt unter dem Strich sogar trotz gestiegener Mieten für viele Haushalte Geld übrig, jedenfalls wenn man nur die Durchschnittsdaten betrachtet.

Wie auch in anderen Städten gibt es in Berlin eine Toleranzschallgrenze für Wohnkosten, inklusive Kosten für Strom und Warmwasser. Sie liegt meistens bei rund 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens. Haushalte mit geringem Einkommen sind allerdings oft dazu gezwungen, mehr auszugeben.

Studenten, die neu nach Berlin ziehen, kennen das und suchen von vornherein nicht mehr im Zentrum nach einer Bleibe. Ein Blick auf die Kennzahlen der beliebten Bezirke zeigt den Grund dafür:

Im Studentenbezirk Friedrichshain-Kreuzberg reicht die Mietspanne mittlerweile von 7,44 bis 15,60 Euro. Das ist die höchste Spanne in der ganzen Stadt. Sogar Steglitz-Zehlendorf bietet Preise zwischen 6,69 und 11,91 Euro. Selbst im preiswerten Marktsegment liegt der Preismedian (gewichteter Durchschnitt) für eine Wohnung in Friedrichshain-Kreuzberg mittlerweile bei 6,48 Euro und damit auf Rang zwei hinter „Billig“-Wohnungen in Charlottenburg-Wilmersdorf.

Der Preismedian für den Partybezirk in allen Marktsegmenten, von einfach bis luxuriös, lag 2014 bei 10,39 Euro und damit an der Spitze aller zwölf Bezirke. Sogar im Problemviertel rund um den Görlitzer Park, der in den vergangenen Wochen durch Meldungen über Drogenhandel und Gewaltdelikte von sich reden machte, stiegen die Mieten 2014 um 11,71 Prozent.

Viele Mieter müssen weiterziehen

Noch können viele Mieter auf günstigere Nachbarbezirke ausweichen. Und das tun sie offenbar auch. Das lässt sich am Preisanstieg um zehn Prozent im Bezirk Lichtenberg ablesen. Und von Kreuzberg aus zieht die Karawane weiter nach Neukölln, wo CBRE einen 9,7-Prozent-Anstieg messen konnte.

Dass sich die Marktlage in absehbarer Zeit entspannen wird, erwarten die Experten nicht. Im Gegenteil. Der Zuzug werde weiter anhalten, und nach wie vor reiche das Angebot an neuen Wohnungen nicht aus, um den Bedarf zu decken. „Die Mietpreisbremse kann jedenfalls nicht die Lösung sein“, erlaubte sich Berlin-Hyp-Chef Bergmann eine Randbemerkung zu den Regulierungsvorhaben der Bundesregierung.

Da aber auch die reinen Baukosten für Neubauten steigen, gleichzeitig Grundstücke teurer werden und die Grunderwerbsteuer steigt, werde es für private Investoren immer enger. „In Berlin läuft es zurzeit auf eine zu erzielende Miete von zehn Euro pro Quadratmeter hinaus. Ab dieser Preisgrenze lohnt sich der Geschosswohnungsbau“, sagt CBRE-Chef Baumunk.

Dumm nur, dass genau an dieser Mietschallgrenze die meisten Berliner Haushalte mit ihrem Einkommen abprallen, wie die Daten des Wohnmarktreports zeigen. „Je näher wir den zehn Euro kommen, desto langsamer steigen die Mieten“, so Baumunk. Für Projektentwickler, die neue Wohnungen bauen wollen, gibt es also wenig Spielraum nach oben.