Der europäische Immobilienmarkt boomt, die Investoren suchen verzweifelt nach Rendite und die Portfoliotransaktionen werden von Jahr zu Jahr größer. Das ist der Eindruck nach zwei Messetagen in Cannes. Die Anzahl der Aussteller ist gegenüber 2014 um rund 10 Prozent auf 2.400 gestiegen und Veranstalter Reed Midem erwartet an den vier Messetagen gut 21.000 Besucher aus 93 Ländern, etwas mehr als im Vorjahr.

Geändert hat sich jedoch die Zusammensetzung der Besucher: Die Wirtschaftskrise in Russland macht sich schmerzhaft bemerkbar, die Zahl der russischen Gäste hat sich zum Vorjahr etwa halbiert. Es gibt keinen Gemeinschaftsstand der russischen Regionen wie in den Vorjahren und die Metropole Moskau hat ebenfalls auf einen eigenen Messeauftritt verzichtet. Dafür sind dieses Mal die Vertreter aus Fernost besonders zahlreich gekommen, vor allem aus dem Reich der Mitte. Aber auch aus der Türkei und Großbritannien werden mehr Besucher vermeldet und selbst die Deutschen sind mit 10 Prozent mehr Gästen vor Ort. Und an anlagewilligem Kapital mangelt es angesichts der erwarteten 4.500 Investorenvertreter derzeit gewiss nicht, eher schon ist die Frage, wo man angesichts einer gewaltigen Renditenkompression noch investiert sein sollte.

In Osteuropa werden die B-Standorte interessant
Der Risikoappetit der Anleger hat jedenfalls wieder zugenommen, was sich besonders in ihrem gestiegenen Interesse an Osteuropa zeigt. Vor allem die Investoren aus dem Nahen wie dem Fernen Osten hatten zuletzt ihre Pfründe in den Hauptstadtregionen wie Warschau gesichert. Für Gespräche hat die Stadt immerhin ihren zweiten Mann, den stellvertretenden Bürgermeister Michal Olszewski, nach Cannes entsandt.

Viele Anleger, die in Warschau Projekte finanziert hatten, sind jetzt allerdings dabei, die Schäfchen ins Trockene zu bringen und Gewinne zu realisieren. Die frei werdenden Mittel werden dann in regionale Zentren wie Danzig, Krakau oder Posen investiert – vor allem Projektentwicklungen im Retail-Bereich stehen hier derzeit hoch im Kurs. Auch Ungarn ist, trotz teilweise irritierender Töne seitens der Regierung, als Standort wieder zunehmend gefragt. Insgesamt wird in den östlichen EU-Ländern dieses Jahr immerhin mit einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent gerechnet, doppelt so viel wie im Euroraum.

Nord- und Mitteleuropa zeigt weniger Präsenz
Die Anzahl der angereisten Politiker aus den Ländern Mittel- und Nordeuropas ist dagegen eher verhalten, da sie weniger im Fokus der Investoren aus Übersee stehen. So lässt sich aus Österreich kein einziger Landes- oder Bundespolitiker auf der Messe sehen. Die Delegation aus dem schwedischen Göteborg hat sich in den vergangenen zwei Jahren von 40 auf rund 20 halbiert – kein Wunder, wenn man bedenkt, dass viele Beobachter in Schweden bereits eine Überhitzung des Immobilienmarktes befürchten. Aus der südschwedischen Stadt Lund hat sich immerhin Bürgermeister Anders Almgren nach Cannes aufgemacht. Lund gehört zur transnationalen Region Öresund, die vom dänischen Kopenhagen bis zum schwedischen Malmö reicht und auch als gemeinsame Marke auf der MIPIM auftritt.

Frankfurt, Köln, Stuttgart, Düsseldorf: Die Riege der deutschen Bürgermeister
Aus vielen deutschen Großstädten zeigen die Bürgermeister hingegen Präsenz im Palais des Festivals, wenn auch mit teils technischen Verzögerungen. So strandete Frankfurts Baubürgermeister Olaf Cunitz (Grüne) vorübergehend am Frankfurter Flughafen. Immerhin kam er am nächsten Morgen so pünktlich in Cannes an, dass er keine Termine versäumte. Frankfurts OB Peter Feldmann (SPD) war ohnehin schon vor Ort.

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Gründe) war ebenfalls an den beiden ersten Messetagen in Cannes, stand Investoren Rede und Antwort und tauschte sich mit nationalen und internationalen Amtskollegen über nachhaltige Stadtentwicklung und die Zukunft der Mobilität aus. Auf den Dauerbrenner Stuttgart-21 angesprochen, betonte er, dass das Projekt zügig fertig gestellt werden solle. Für Vorschläge der Bahn sei man dabei offen.

Damit auch die eher finanzschwachen Großstädte aus Nordrhein-Westfalen auf der MIPM sein können, gibt es für sie bereits zum fünften Mal in Folge den Gemeinschaftsstand unter dem Banner der landeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.invest. NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), als politisch Verantwortlicher der Wirtschaftsförderung letzten Endes der oberste Chef des Gemeinschaftsstandes, ließ es sich als einer der wenigen deutschen Spitzenpolitiker nicht nehmen, persönlich auf der Messe zu erscheinen.

Düsseldorfs OB Thomas Geisel (SPD) warb am Mittwoch für die NRW-Landeshauptstadt während bei seinem Kölner Kollege Jürgen Roters (SPD) neben Gesprächen mit Investoren auch der Austausch mit den Vertretern der Kölner Partnerstädte Lille, Turin und Istanbul auf dem Programm stand. Aber auch B-Städte wie Mönchengladbach gehören zur NRW-Präsenz in Cannes und Bürgermeister Hans-Wilhelm Reiners (CSU) wird sich die Chance nicht entgehen lassen, den Investoren eine Stadt näher zu bringen, die sich durch das Einkaufszentrum Minto gerade erheblich wandelt.

Design und Crowdfunding
Die MIPIM ist aber nicht nur ein Marktplatz für Investoren und Regionen, sondern auch eine Ideenfabrik für die Zukunft der Immobilienbranche. So befindet sich im MIPIM Innovation Forum das Architecture Café, in dem aktuelle Trends für das Gebäude-Design im Mittelpunkt stehen und das rund 1.600 Architekten als Messe-Treffpunkt dient. Auf der Finanzierungsseite könnte das Thema Crowdfunding ein Fingerzeig auf mögliche künftige Entwicklungen sein – dazu gab es am ersten Messetag eine Podiumsdiskussion. Fazit der Gesprächsrunde: Crowdfunding kann zwar neue Finanzierungskanäle erschließen, das Allheilmittel für Projekte, die ansonsten keine Finanzierung finden würden, ist es aber mit Sicherheit nicht. Manches bleibt eben doch erst Mal beim Alten – auch im Palais des Festivals in Cannes.