Das Investoreninteresse wächst in den meisten europäischen Märkten für Gewerbeimmobilien weiter. Deutschland liegt dabei das zweite Quartal in Folge ganz vorne. Doch anstehende politische Umwälzungen in Großbritannien und Spanien wirken sich zunehmend auch auf die jeweiligen Märkte aus. Das sind die zentralen Aussagen des RICS Global Commercial Property Monitor für das erste Quartal 2016. Die wichtigsten Umfrageergebnisse für Deutschland in Stichworten:
Mietmarkt Deutschland (RICS Occupier Sentiment Index, OSI)**
• Die Mieternachfrage ist laut den Ergebnissen für das erste Quartal 2016 in allen Marktsegmenten stabil geblieben, wobei sie im Büro- und Industriebereich am dynamischsten ist. Damit dauert das ungebrochene Nachfragewachstum nun schon seit 2010 an.
• Die Verfügbarkeit sank dagegen das zweite Quartal in Folge. Vor allem bei Industrieimmobilien werden Flächen knapp. Dementsprechend zeigte sich auch in allen Asset-Klassen eine Abnahme von Incentives. Der wichtigste Indikator ist bereits seit neun RICS-Untersuchungen im negativen Bereich.
• Angesichts der angespannten Marktlage wird erwartet, dass die Mieten sowohl im kommenden Zwölfmonats- als auch Dreijahreszeitraum steigen. Die Spitzenmieten werden den Erwartungen nach am deutlichsten steigen, wobei Büroimmobilien das Zugpferd sind. In den sekundären Märkten sind die Prognosen etwas gedämpfter, während das Niveau bei Einzelhandelsimmobilien insgesamt unverändert bleibt.
• Dennoch sorgen die soliden Mietaussichten dafür, dass vermehrt Neubauten errichtet werden. Auch hier sind Büroimmobilien führend.
• Der Occupier Sentiment Index liegt damit nun bei +30 und verweist auf eine breit angelegte Aufhellung im Mietmarkt.
Investmentmarkt Deutschland (RICS Investment Sentiment Index, ISI)*
• Die Investorennachfrage stieg in sämtlichen Marktsegmenten wie schon seit etlichen Quartalen weiter stark an. Dieser Trend zeigt sich auch bei der Nachfrage ausländischer Investoren, bei denen Büro- und Einzelhandelsimmobilien am stärksten zulegten.
• Das Immobilienangebot ist im Vergleich zum vierten Quartal 2015 stark zurückgegangen, wobei der Rückgang in allen Sektoren ähnlich ausfällt. Auch dieser Trend besteht bereits seit Einführung der Serie im Jahr 2014.
• Sowohl in Top- als auch Sekundärstandorten des Marktes ist in den kommenden 12 Monaten von einer Kapitalwertsteigerung auszugehen. Nur bei Einzelhandelsimmobilien außerhalb der Spitzenlagen fällt das Wachstum etwas bescheidener aus.
• Der Investment Sentiment Index, der die Dynamik des Investmentmarktes abbildet, verharrt in der Nähe seines Allzeithochs bei +52.
• Dennoch ist ein wachsender Anteil der Umfrageteilnehmer (60 Prozent) inzwischen der Auffassung, der Markt bewege sich auf den Höhepunkt des aktuellen Zyklus zu. Im letzten Quartal sahen dies noch 46 Prozent der Teilnehmer so. Dementsprechend gehen 74 Prozent davon aus, dass die aktuellen Bewertungen angesichts der Basisdaten etwas zu hoch liegen.
Jens Giere MRICS, Vorsitzender der Professional Group (PG) Commercial Property der RICS Deutschland: „Der Markt wird zunehmend rauer. Verwerfungen blieben dem deutschen Markt als Ganzes noch erspart. Regionale und sektorale Teilmärkte entwickeln sich jedoch zum Teil deutlich anders als das in den Big Seven der Fall ist. Setzt man jedoch den deutschen Markt ins Verhältnis zu anderen europäischen Märkten, dann erscheint das aktuelle Geschehen in Deutschland vergleichsweise stabil. In den kommenden Monaten bleibt abzuwarten, wie die Abstimmung in Großbritannien im Zusammenhang mit dem so genannten Brexit ausgeht. Gleich wie die Entscheidung auch lautet, sie wird Einfluss auf das weitere Marktumfeld haben. Es bleibt spannend.“
In Europa gelten deutsche Städte weiterhin als attraktive Anlagezentren, obwohl die Werte aufgrund der starken Zuwächse in den letzten Jahren angestiegen sind. Dementsprechend bezeichnen etwa drei Viertel der Umfrageteilnehmer aus München und Berlin (in etwas geringerem Maße auch Frankfurt) ihre jeweiligen Märkte als eher teuer. Die aktuelle Datenlage entspricht dem wachsenden Interesse an einigen nachrangigen Standorten, da das starke Vertrauen in das Mietwachstum zu eher positiven Einschätzungen der Preise führt.
Länder-Ergebnisse im Überblick
Gewerbeimmobilien schneiden auch in Spanien und Großbritannien gut ab. Dort steigen dieses Jahr den Prognosen nach Kapitalwerte wie auch Mieten weiter an, wenn auch etwas schwächer als bislang. Allerdings weist die RICS-Untersuchung darauf hin, dass sich die kurzfristige politische Unsicherheit mittlerweile auch auf Investitionsentscheidungen auswirkt, etwa mit Blick auf die spanischen Parlamentswahlen und das anstehende Referendum zum EU-Austritt in Großbritannien, die beide die Investitionsaktivität eher behindern.
In Irland, Portugal und Ungarn verbindet sich die solide Marktentwicklung mit einer positiven Mieternachfrage, da das Arbeitsmarktwachstum die Nachfrage nach Mietflächen ankurbelt. Daher geht die Verfügbarkeit bei gleichzeitig steigenden Mieten zurück. Dementsprechend erwarten die Umfrageteilnehmer in den kommenden 12 Monaten in Budapest, Dublin und Lissabon deutliche Mietzuwächse. Die Attraktivität dieser Städte wird noch durch den Eindruck vergrößert, dass sie noch immer relativ günstig bewertet werden. Das zeigt sich auch in der Einschätzung, der zufolge diese Märkte derzeit weiter zwischen der frühen und mittleren Aufschwungsphase im Immobilienzyklus verharrten.
Auch in den Niederlanden, in Italien und Frankreich steigt die Investorennachfrage insbesondere durch ausländische Interessenten in allen Sektoren weiter an, vor allem aber in den Bereichen Büro- und Einzelhandelsimmobilien.
Der RICS-Index zur Entwicklung der Mieternachfrage offenbart eine verzögerte Aufhellung in Frankreich, die sich auch in den verbesserten Zahlen für Paris niederschlägt. Das zeigt sich in den erstmals positiven Werten des Occupier Sentiment Index für Paris seit 2011. Allerdings klafft aktuell noch eine Lücke zwischen Core- und Sekundärimmobilien sowohl mit Blick auf die Miet- als auch die Kapitalwerterwartungen.
In Italien fallen die Zwölfmonatsprognosen für die Bereiche Office und Retail positiv aus, verharren im Industriesektor aber im leicht negativen Bereich.
In Mittel- und Osteuropa ist die Stimmung insgesamt weiterhin positiv. Obwohl in Polen die Investorennachfrage in diesem Quartal stieg, rutschten die Erwartungen an das Kapitalwachstum im Jahresverlauf nach einer etwas schwächeren Entwicklung des Mietermarktes in den leicht negativen Bereich.
Simon Rubinsohn, RICS Chief Economist: „Das Feedback, das wir in weiten Teilen Europas zu den Erwartungen an den Immobilienmarkt bekommen, ist wieder positiv, obwohl es in einigen Märkten Sorgen hinsichtlich der Bewertungen gibt. Ein wichtiger Faktor ist die Entwicklung der Geldpolitik, deren Negativzinsen Immobilien als Anlageobjekte noch attraktiver machen. Zwar haben einige der als Anlageziele geeigneteren Städte in Europa schon jetzt einen sehr guten Lauf hingelegt, der sich auch in den Preisen niederschlägt. Sie bleiben bei in- und ausländischen Käufern aber weiterhin sehr gefragt. Inzwischen werden auch einige Tier-2-Städte aufgrund verbesserter Makrodaten und relativ attraktiver Bewertungen positiver gesehen.
Vor diesem Hintergrund muss man sich der übergeordneten Risiken in der Branche bewusst sein, die etwa auf eine Verschlechterung der makroökonomischen Grundlagen oder eine Zersplitterung des politischen Umfelds zurückgehen können. Beide Entwicklungen werden die Investoren wohl vorsichtiger machen.“
Globale Trends
Für das erste Quartal 2016 verzeichnet der RICS Global Commercial Property Monitor in allen Industrieländern eine positive Stimmung. Die Mieter- und Investorennachfrage nach Gewerbeimmobilien stieg insbesondere in Europa. In den Schwellenländern haben die Rohstoffexporteure weiter zu kämpfen, obwohl sich die Marktbedingungen in China infolge staatlicher Wirtschaftsprogramme angesichts des befürchteten Risikos einer deutlichen Abkühlung allem Anschein nach stabilisieren. In vielen anderen Ländern Asiens sind die Prognosen zurückhaltender.
Sind Gewerbeimmobilien zu hoch bewertet?
Mit Blick auf die Einschätzung aktueller Immobilienpreise sind in Katar 90 Prozent der Teilnehmer der Meinung, dass Gewerbeimmobilien eher zu hoch bewertet sind. Als Ursache wird das schwierige makroökonomische Umfeld angesehen. Ebenso meint die Mehrheit der Umfrageteilnehmer aus der Schweiz (87 Prozent), aus Deutschland (73 Prozent) und aus Japan (70 Prozent), dass die Preise für Gewerbeimmobilien ihren beizulegenden Zeitwert übersteigen. Die Immobilienpreise in Athen, Budapest und Madrid sind gemessen am Zeitwert noch immer die günstigsten.