Ein 75 m hoher Gebäudeturm am neuen Münchner Hauptbahnhof erhitzt die Gemüter und sorgt für Streit an der Isar. Denkmalschützer und Heimatpfleger haben jetzt mächtige Unterstützung vom bayerischen Kultusminister und Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle bekommen.

Münchens neuer Hauptbahnhof soll eindrucksvolle Größe und avantgardistische Architektur zeigen. Im Entwurf des Planungsbüros Auer Weber Architekten setzt ein Hochhaus als weithin sichtbare Landmarke einen starken visuellen Akzent. Der Stadtrat hat – einschließlich der CSU-Fraktion – den Plänen des Büros Auer Weber Architekten im vergangenen Jahr fast einstimmig zugestimmt. Baubeginn soll drei Jahre vor Betriebnahme der S-Bahn-Stammstrecke sein, einen genauen Zeitplan gibt es jedoch noch nicht. Trotz einer Debatte um die künftige Erreichbarkeit mit dem Pkw im letzten Jahr wurde das Konzept im Ganzen nicht angegriffen.

Nun äußerte der Denkmalschutz Ende letzten Jahres Bedenken. Zum einen müsse der denkmalgeschützte Starnberger Flügelbahnhof weichen, zum anderen würde das 75 m hohe Gebäude die Münchner Altstadt-Silhouette insbesondere durch Unmaßstäblichkeit stören. „Die Größe und der gestalterische Kontrast des aktuellen Entwurfs wird die Denkmäler in der Umgebung des Bahnhofs in ihrer Aussage degradieren und den Forumscharakter vernichten. Aufgrund der fehlenden Maßstäblichkeit und der negativen Auswirkungen auf das Umfeld wird die Planung insgesamt abgelehnt“, schrieb der Landesdenkmalrat in seiner Stellungnahme. Das Gremium empfiehlt „dringend“ eine Aktualisierung der Münchner Hochhausstudie, um geeignete Standorte für entsprechende Bauwerke zu finden. In der Tat besteht in Deutschlands drittgrößter Stadt die besondere Situation, dass seit Kriegsende bis heute eine Hochhaus-Skyline vermeiden konnte, welche die historische Silhouette überragt.

Die Stadtgestaltungskommission, Beratungsgremium des Stadtrats, befasst sich Anfang Februar mit der Planung, hat aber bereits durchblicken lassen, dass der Umbau des historischen Starnberger Flügelbahnhofs konflingent werde. Das geplante Hochhaus, so Stadtheimatpfleger Gerd Goergens, sprenge den Rahmen. Zudem fürchtet er den Präzedenzfall.

Auch Generalkonservator Mathias Pfeil, Bayerns oberster Denkmalpfleger, kritisiert die Planung. Das neue Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft des Hochhaus-Hotels Deutscher Kaiser und des Büroturms des Bayerischen Rundfunks schaffe keine eigene Identität, sondern wirke wie ein beliebiges Büro-Hochhaus, meint Pfeil.

Unterstützung haben die Kritiker jetzt von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), zuständig im Kabinett auch für Denkmalschutz, erhalten. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und kritisiert das „monströse Büro- und Geschäftshochhaus“, das ihn „sprachlos macht“. Die Umsetzung der aktuellen Planungen würde aber mit dem Starnberger Flügelbahnhof einen “der bekanntesten Gebäudekomplexe der Nachkriegszeit beseitigen“. Der „Nierentisch“-Haupteingang des Bahnhofs, die ganze Außenhaut, drücke „die Nachkriegszeit aus“, wird Spaenle im „Münchner Merkur“ zitiert. „Die Gebäude sind ein Stück Stadtgeschichte. Man muss darüber streiten, ob sie wirklich weg müssen. Ich stelle die Frage, ob eine stadtgeschichtlich so prägende Fassade wirklich weg muss.“ Mit anderen Worten: Der Münchner CSIU-Vorsitzende will den Starnberger Flügelbahnhof erhalten und offenbar sanieren, jedenfalls durch kein neues Gebäude ersetzen. Damit stellt er sich frontal gegen seine eigene CSU-Fraktion – eine (nicht nur) kommunalpolitische Kuriosität.