2015 war das Rekordjahr auf dem deutschen Immobilienmarkt. Allein im Gewerbeimmobiliensegment wurden 55,5 Milliarden Euro investiert. Damit wurde der Peak des Vorkrisenniveaus aus dem Jahre 2007 erstmals wieder erreicht. Allein im Büroimmobiliensegment wurden 2015 50% mehr investiert als im Vorjahr. Die Wohnungsmieten sind im vergangenen Jahr deutschlandweit moderater angestiegen als noch 2014, dennoch kam es vor allem in den größten Städten zu weiteren Aufwärtsbewegungen. Diese werden aufgrund der hohen Zuzugszahlen aus dem In- und Ausland weiter anhalten. Das sind einige der Ergebnisse des aktuellen Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2016, das der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. heute an Parlamentarischen Staatssekretär Florian Pronold (SPD) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit übergeben hat.
Regulatorisches Umfeld muss verbessert werden
„Neue Investments sind aufgrund einer zunehmenden Verknappung und eines herausfordernden regulatorischen Umfelds schwieriger geworden“, erklärt Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA. Dennoch hätten alle deutschen Städte das Potenzial, um auf die Knappheit im Wohn- und Gewerbesegment zu reagieren. „Dafür braucht es schnellere Entscheidungen in der Politik. Wir müssen verdichteter bauen können. Die Änderungen der BauNVO und Anpassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, wie sie bereits diskutiert werden, sind längst überfällig“, sagt Mattner. „Die EnEV 2016 hat beispielsweise dazu geführt, dass die Herstellungskosten für neue Immobilien um durchschnittlich acht Prozent gestiegen sind, die CO2-Einsparung liegt hingegen bei gerade einmal 0,02 Prozent. Mit Blick auf die anhaltend angespannte Lage der Wohnungs- und Gewerbeimmobilienmärkte in den deutschen Groß- und Universitätsstädten müssen also andere Schwerpunkte gesetzt werden. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für neue Investitionen in den Immobilienmarkt und ein bezahlbares Wachstum unserer Städte zu schaffen“, sagt der ZIA-Präsident.
Steigende Herstellungskosten gefährden Bezahlbarkeit der Städte
Die positive Entwicklung der deutschen Immobilienmärkte wird durch die gute wirtschaftliche Lage begünstigt. „Insbesondere niedrige Finanzierungskosten, gestiegene Löhne und Gehälter sowie Verschiebungen im Anlageportfolio von Investoren hin zu Immobilien wirken sich positiv auf die Immobilienwirtschaft aus“, sagt Prof. Dr. Lars Feld, der im Rahmen des Gutachtens die gesamtwirtschaftliche Entwicklung untersucht hat. „Die Nachfrage nach Immobilien dürfte im Jahr 2016 darüber hinaus durch die Zuwanderung steigen.“ Prof. Dr. Feld warnt weiterhin vor neuen Auflagen der Politik, die das Bauen weiter verteuern. „Die regulatorischen Entscheidungen des Bundes, der Länder und der Kommunen haben die Herstellungskosten in den vergangenen Jahren deutlich verteuert und Investoren verunsichert. Es besteht die Gefahr, dass die Mietpreise in beliebten Großstädten weiter steigen und es zu Engpässen in der Versorgung von Flüchtlingen kommt. Im Jahr 2016 sollte die Politik sich daher wieder stärker auf die Schaffung von günstigen Rahmenbedingungen für Investitionen in den Wohnungsbau konzentrieren“, erklärt Feld und erteilt der Mietpreisbremse, der ENEV 2016 sowie Quoten für den Mietwohnungsbau eine Absage. Die steigenden Herstellungskosten basieren nicht zuletzt auf den hohen energetischen Auflagen der Politik sowie den wachsenden steuerlichen Belastungen etwa durch die Grunderwerbsteuer, die von nahezu allen Bundesländern konstant nach oben getrieben werde. Um Anreize für den Wohnungsneubau zu setzen, sei die Reduktion der Herstellungskosten laut Prof. Feld jedoch zwingend erforderlich.
Wohnungsmarkt: Mietenanstieg auf moderatem Niveau
Die Angebotsmieten der Wohnungen sind 2015 gegenüber dem Vorjahreszeitraum (III. Quartal 2014) nominal leicht gestiegen: in Westdeutschland um 3,7% (Mittelwert I-III 2015 zu I-III 2014) und in Ostdeutschland um 1,2%. Allerdings fand der Anstieg praktisch ausschließlich zwischen dem III. Quartal 2014 und dem I. Quartal 2015 statt. Seit Jahresbeginn 2015 lassen sich in Westdeutschland insgesamt keine nennenswerten Mietpreissteigerungen mehr beobachten und in Ostdeutschland sind die Angebotsmieten sogar etwas rückläufig. „Die Mietpreisanstiege haben in ganz Deutschland an Schwung verloren“, sagt Prof. Dr. Harald Simons, Mitglied des Vorstands bei empirica. „Dennoch können wir mit Blick auf die starke Nachfrage und chronische Unterversorgung in mehreren Wohnungsmärkten nicht davon ausgehen, dass es zu einer Preisstagnation im Mietsegment kommt.“
Kaufpreise für Eigentumswohnungen steigen stärker als Mieten
Die Angebotspreise von Eigentumswohnungen machten auch im Jahr 2015 wieder einen kräftigen Sprung nach oben. Mit einem Wachstum von 7,2% im Vergleich zum Vorjahr (I-III 2014 zu I-III 2015) hat sich der Anstieg in Westdeutschland sogar beschleunigt. Eine Abflachung ist nicht in Sicht. Auch in Ostdeutschland (ohne Berlin) sind die nominalen Kaufpreise weiter um 6,2% gestiegen. Analog zu den Mietpreisen ist aber auch bei den Kaufpreisen die Streuung innerhalb Deutschlands riesig und erwartungsgemäß nochmals größer als die der Mietpreise. In 70% der Kreise sind die Kaufpreise für Eigentumswohnungen um mehr als 2% gestiegen, in 50% sogar um mehr als 6%. Gleichzeitig sind aber in fast jedem vierten Kreis (23,4%) die Preise gesunken.
Miet- und Kaufpreisentwicklung im Wohnsegment wird weiter anhalten
„Ohne die starke Zuwanderung von Flüchtlingen wäre das Bild für 2016 ziemlich eindeutig. Der Mietpreiszyklus hätte seinen Zenit erreicht, die Mieten im deutschen Mittelwert würden 2016 nicht mehr wesentlich weiter steigen bzw. stagnieren“, erklärt Prof. Dr. Harald Simons. Mitglied des Vorstands bei empirica. Die weitere Entwicklung sei aber angesichts der unklaren Auswirkungen der hohen Zuwanderung besonders schwer einzuschätzen. Der Mietpreiszyklus dürfte sich verlängern, da die Wohnungsnachfrage steigen wird. „Die Angebotserweiterung durch den Wohnungsneubau kann mit der gestiegenen Nachfrage momentan nicht Schritt halten. Das wird auch in den nächsten Jahren zu Miet- und Kaufpreissteigerungen in den Ballungsräumen führen“, meint Simons.
Büroimmobilien bleiben dominierende Assetklasse der Wirtschaftsimmobilien
Seit 2012 sind Büroimmobilien die dominierende Assetklasse am deutschen Immobilieninvestmentmarkt. 2015 belief sich das Transaktionsvolumen auf rund 26,1 Mrd. Euro, was etwa einem Anteil von 47% Prozent am gesamten Gewerbeimmobilien-Investmentmarkt entspricht. Das Büroinvestmentvolumen konnte im Vergleich zum Jahr 2014 um ca. 50% bzw. 8,7 Mrd. Euro gesteigert werden. Im Bürosegment gab es in den deutschen A-Standorten wieder zahlreiche Transaktionen im dreistelligen Millionenbereich; in fast allen A-Städten hat die Anzahl dieser Großtransaktionen zugenommen.
Die größten Agglomerationen profitieren weiterhin am stärksten vom Zuzug hochqualifizierter Arbeitnehmer und einem Anstieg der Bürobeschäftigung. „An allen Top-Standorten ist die Einwohnerzahl in den zurückliegenden Jahren deutlich gestiegen. Dort, wo das Angebot an qualifizierten Arbeitnehmern steigt, wächst natürlich auch die Zahl der Bürobeschäftigten“, erklärt Andreas Schulten, Vorstand der bulwiengesa AG. Eine gute innerstädtische Infrastruktur sowie Universitäts- und Bildungsangebote erhöhen die Wahrscheinlichkeit zusätzlich. Der Rat der Immobilienweisen geht davon aus, dass der Anstieg auch in den kommenden Jahren anhält.
Attraktivität von Hotelimmobilien nimmt zu
Die Attraktivität von Hotelimmobilien hat insbesondere in den deutschen Großstädten, allen voran Berlin, Hamburg, München und Frankfurt am Main stark zugenommen. Aber auch. B-Standorte und Lagen im Speckgürtel der Metropolen rückten 2015 verstärkt in den Fokus von Entwicklern und Investoren. So erreichte das Transaktionsvolumen 2015 nach vorläufigen Ergebnissen mit rund 3,5 Mrd. Euro ein neues Rekordniveau. In den sieben deutschen A-Städten wurde 2015 rund 56% des Neubestands in Deutschland errichtet. 2016 ist von weiteren Zuwächsen im Tourismus in Deutschland auszugehen sowie von einem angemessenen Wachstum der Zimmerkapazitäten, das, wie es aussieht, in einem gut ausgewogenes Verhältnis zum erwarteten Nachfragewachstum steht. Für personalintensivere neue Konzepte liegt die zukünftige Herausforderung u.a. in der Rekrutierung von motivierten Fachkräften, die insbesondere in ländlichen Regionen nicht leicht zu finden sind. In diesem Zusammenhang könnte der Flüchtlingszustrom eine Hilfe sein, den Fachkräftemangel in der Hotellerie zu mildern. „Alles in allem wird Deutschland auch 2016 für Entwickler, Betreiber und Investoren ein „sicherer Hafen“ sein, der auch außerhalb der Großstädte reichlich Fahrwasser besitzt“, meint Schulten.
Konsumklima sorgt für gute Stimmung im Einzelhandel
In einem turbulenten Jahr 2015 hat sich das insgesamt sehr gute Konsumklima unter den deutschen Verbrauchern als wichtige Konstante herausgestellt. Die Konsumentenstimmung war das gesamte Jahr außerordentlich positiv und ist nach einem zwischenzeitlichen Dämpfer zum Jahreswechsel hin wieder gestiegen. Auch die Kaufkraft wird 2016 erneut zulegen, so dass die deutschen Verbraucher durchschnittlich nominal 430 Euro pro Kopf bzw. rund 2% mehr im Portemonnaie haben. Inflationsbereinigt wird es einen Kaufkraftzuwachs von etwa 1% geben. Das Transaktionsvolumen hat mit 18,1 Mrd. Euro wieder das Spitzenniveau von 2006 erreicht. Dazu beigetragen hat der Verkauf von 43 Galeria-Kaufhof-Warenhäusern. Core-Objekte treffen auf dem Markt auf ein unverändert hohes Investoreninteresse und halten den Druck auf die Renditen gerade in den Einkaufsmetropolen weiter auf historisch niedrigem Niveau. „Der limitierende Faktor ist das knappe Angebot an adäquaten Flächen und Quartieren für Einzelhändler. Diese werden zu stark begrenzt oder von Restriktionen und monofunktionalen Nutzungsvorgaben begleitet. Die künftige Entwicklung im Einzelhandelssegment wird stark davon abhängen, ob die Politik flexiblere Quartierslösungen und Nutzungsvorgaben anbieten kann“, erklärt Manuel Jahn, Leiter Real Estate Consulting bei GfK Geo Marketing.
Fachmärkte und Fachmarktzentren bleiben beliebteste Assetklasse im Handelssegment
Nachdem in den Vorjahren die Investments in Fachmärkte und Fachmarktzentren immer beliebter geworden sind und 2014 über 40% des Transaktionsvolumens auf sich vereinen konnten, hat diese Assetklasse unter anderem aufgrund des Kaufhof-Rekorddeals 2015 statistisch an Boden verloren. Dennoch entfällt weiterhin der größte Anteil der Einzelhandelstransaktionen von 33,5% auf Investments in diese Assetkategorie. Der Online-Handel hat zwar im Vergleich zu den hohen zweistelligen Wachstumsraten der vergangenen fünf Jahre ein wenig an Dynamik eingebüßt, ist aber unangefochten der Wachstumstreiber des deutschen Einzelhandels. Nachdem der E-Commerce 2015 ein nominales Umsatzplus von 12,7% erzielt hat, trägt er inzwischen 9,4% zum Gesamtumsatz der Einzelhandelsbranche bei.
Digitalisierungs-Potenzial der Branche wird weiterhin nicht ausgeschöpft
Der Einfluss der Digitalisierung auf die Immobilienwirtschaft ist umfassender als es oberflächlich betrachtet erscheint. Einen tiefen und aktuellen Einblick in das Marktgeschehen ermöglichen Informationen aus digitalen Quellen. „Zukünftige Datenanwendungen werden noch stärker darauf ausgerichtet sein, den Immobilienmarkt transparenter zu machen und Angebot und Nachfrage schneller und passgenauer zusammenzuführen“, erklärt Jan Hebecker, Leiter Märkte und Daten bei ImmobilienScout24. Die größten Wachstumspotenziale bestehen in den nächsten zehn Jahren im Bereich „Smart Home“, also in der automatischen Steuerung und Vernetzung diverser Techniksysteme und Geräte im Haus, sowie in der Sicherheit und Energieeffizienz von Büro- und Gewerbeobjekten, der Automatisierung des Einzelhandels und in Bezug auf die gesamtstädtische Infrastruktur. „Um die prognostizierten Wachstumspotenziale auszuschöpfen, bedarf es einer politischen Initiative, die darauf abzielt, die in der Immobilienwirtschaft generierten Informationen sinnvoll zu verknüpfen und zugänglich zu machen“, meint Hebecker. Hierfür erscheinen 3-D-Stadtmodelle am besten geeignet. Die technischen Voraussetzungen, um die Kundenbedürfnisse auch innerhalb des Immobilienmarktes stärker zu berücksichtigen, stehen mittlerweile bereit.
Der Rat der Immobilienweisen
Seit dem Herbst 2002 sorgt der „Rat der Immobilienweisen“ durch seine Frühjahrsprognosen für mehr Transparenz auf den Immobilienmärkten. Mit den damals erstmals erfassten Daten zu Bruttoproduktionswert, Beschäftigten und Immobilienbestand sollte auch die Immobilienwirtschaft als einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung besser verankert werden. Aktuelle Mitglieder des Rats der Immobilienweisen sind Jan Hebecker, Manuel Jahn, Andreas Schulten und Prof. Dr. Harald Simons.